Bücher - für Sie gelesen

„Hast du uns endlich gefunden“ von Edgar Selge

Frau kann ja schreibenden Schauspieler:innen durchaus kritisch gegenüberstehen, bei diesem Buch fällt meine Kritik aber durchwegs sehr positiv aus:

Edgar Selge hat aus Kindersicht einen Roman über das Aufwachsen in den 50iger und 60iger Jahren im Deutschland der Nachkriegszeit geschrieben. Die Eltern des Kindes sind im 3. Reich konditioniert worden, sie wollen anders sein als sie sind, können es aber nicht. Ihre Unfähigkeit bekommt das Kind mit Schlägen zu spüren. Das Kind flüchtet in Phantasien, lügt, stiehlt. Dazwischen kommt der erwachsene Edgar zu Wort und übernimmt, wenn das Kind Situationen und Emotionen nicht einordnen kann: „Ich will nicht zugeben, von jemandem geschlagen zu werden, den ich liebe. Und noch weniger will ich zugeben, dass seine Schläge meine Liebe nicht ausgelöscht haben. Ich will nicht einer sein, der den liebt, der ihn schlägt.“

Der Vater ist Gefängnisdirektor einer Jugendstrafanstalt, die Familie lebt nebenan, eine musikalische Familie, die die Insassen zu Hauskonzerten einlädt, bei der Saft und Gebäck gereicht wird – eine Familie, gutbürgerlich, musisch und literarisch gebildet. Der älteste Sohn wagt es, Fragen nach der NS Vergangenheit zu stellen und nach der Schuld seiner Eltern zu suchen.

Eine traurige Geschichte, aber auch hoffnungsvoll, denn Edgar Selge ist seinen Weg trotzdem gegangen, erst Schauspieler, jetzt Literat.

Selge, Edgar :   Hast du uns endlich gefunden.  
2021.   304 S.  
978-3-498-00122-3  
– Rowohlt, Hamburg – 
GEB     24,70 EUR